Die Psychologie der Emotionen

Emotionen: je vielfältiger, desto gesünder?

Lachen - Weinen

Ob positiv oder negativ: je vielfältiger die Emotionen, desto besser!

In einer psychoimmunologischen Tagebuchstudie konnten Anthony Ong und Kollegen zeigen, dass typische Entzündungsindikatoren im Körper bei den Personen niedriger ausfallen, die in ihrem Alltag eine Fülle verschiedener Emotionen empfinden. Sind Menschen mit einem reichhaltigen Gefühlsleben tatsächlich gesünder?

„Das Psychische und das Immunologische sind eins“, schreibt der österreichische Arzt und Psychologe Christian Schubert in seinem Buch Was uns krank macht – Was uns heilt: Aufbruch in eine Neue Medizin. Die psychische Befindlichkeit von Menschen setze biochemische Kaskaden in Gang, die sich über immunologische Veränderungen in körperlichen Erkrankungen niederschlagen können. Das Zusammenspiel von Nerven-, Hormon- und Immunsystem spiele dabei eine Schlüsselrolle, erklärt Schubert. Negative Emotionen und Stress fachen nachweislich entzündliche Reaktionen an, die für den Organismus gefährlich sind, wenn sie länger anhalten: Sie greifen körpereigene Zellen an und schwächen die Immunabwehr. Kommt es schlimm, sind chronische Krankheiten wie Atherosklerose, Diabetes Typ II oder Rheuma die Folge.

Interleukin-6, CRP und Fibrinogen – so heißen die verdächtigen Proteine, die typischerweise gemessen werden, um auf eine Entzündung im Körper zu schließen. Auch Ong und seine Mitstreiter verwendeten diese Biomarker in ihrer Studie, um  die Wirkung von Emotionen auf die Gesundheit ihrer Probanden zu überprüfen. Allerdings ging es ihnen nicht allein um negatives Befinden. Vielmehr vermuteten sie, dass die emotionale Vielfalt, die Emodiversität (engl. emodiversity), Einfluss auf das Immunsystem nimmt. Charakteristisch für eine niedrige Emodiversität ist laut Ong, dass das emotionale Erleben recht gleichförmig und auf wenige Emotionskategorien konzentriert ist. Eine hohe Emodiversität unterdessen sei durch mannigfaltige emotionale Erfahrungen geprägt, die sich über verschiedene Kategorien verteilen.

Die 175 erwachsenen Probanden der Studie zeichneten an bis zu dreißig Abenden in Folge mithilfe eines Tablet-basierten Fragebogens auf, welche Emotionen sie über den Tag empfunden hatten und in welchem Ausmaß. Der Fragebogen gab ihnen dazu 32 Emotionen vor, zwischen denen sie wählen konnten – jeweils zur Hälfte positiver Natur (enthusiastisch, amüsiert, stolz, entspannt, interessiert u. ä.) oder negativer Natur (beängstigt, nervös, schuldig, müde, traurig u. ä.). Die Wissenschaftler maßen deutliche Unterschiede in der Emodiversität: Bei einigen blieb die Auswahl auf wenige grobe Emotionskategorien beschränkt. Bei anderen zeigte sich eine sehr nuancierte Gefühlswelt. Letztere wählten aus der Bandbreite der vorgegebenen Emotionen sehr viele unterschiedliche, und es fanden sich bei ihnen weniger extreme Ausschläge für bestimmte Emotionen.

Um die Immunabwehr derjenigen mit hoher emotionaler Vielfalt war es, wie vermutet, besser bestellt: je höher die Emodiversität der Testpersonen, desto geringer die Entzündungsindikatoren in deren Blutproben. Das Verhältnis positiver und negativer Emotionen hingegen hatte keinerlei Auswirkung auf den Gesundheitszustand. Demnach sind Menschen mit einem „emodiversen“ Gefühlsleben tatsächlich besser gegen Krankheiten gewappnet – unabhängig davon, ob angenehme oder unangenehme Gefühlszustände überwiegen. Der Zusammenhang war allerdings nur im Spektrum der positiven Emotionen statistisch bedeutsam. Das ist deshalb überraschend, weil vorhergehende Studien ein bessereres Wohlbefinden auch für Personen feststellen konnten, die negative Emotionen stärker differenzieren (Quoidbach et al., 2014; Kashdan et al., 2015).

Insgesamt werfen die Ergebnisse ein Licht auf den Zusammenhang zwischen emotionalen Kompetenzen und Gesundheit. In einer Meta-Analyse, die über 7000 Versuchspersonen einschloss, haben Wissenschaftler/-innen bereits früher Belege dafür versammelt, dass Emotionale Intelligenz mit einem besseren Gesundheitszustand einhergeht. Emotional intelligente Personen können eigene Gefühle und die ihrer Mitmenschen genauer einschätzen und unterscheiden. Forscher/-innen vermuten, dass sie durch die höhere emotionale Granularität besser in der Lage sind, ihre Gefühle zu regulieren und das eigene Verhalten an die Herausforderungen des Alltags anzupassen. Es macht einen Unterschied, ob man sich „nur“ miserabel fühlt oder aber niedergeschlagen, beängstigt, erniedrigt usw. Nicht allein die verwendeten Begriffe sind präziser, so die Annahme, sondern auch die Wahrnehmungen und Erfahrungen, die sich damit verbinden.

Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass eine größere Emodiversität gesundheitsförderlich sein kann. Während vorhergehende Studien den Zusammenhang an sich aufzeigten, gehen Ong, Benson, Zautra und Ram weiter und untersuchen die biologischen Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen. Ein vielversprechender Ansatz – und ein weiterer Schritt auf dem Weg in eine „neue Medizin“.


Die aktuelle Studie:

Ong, A. D., Benson, L., Zautra, A. J., & Ram, N. (2017, June 22). Emodiversity and Biomarkers of Inflammation. Emotion. Advance online publication. http://dx.doi.org/10.1037/emo0000343

Weitere Literatur:

Fredrickson, B. (2009). Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert. Frankfurt am Main: Campus

Kashdan, T. B., Barrett, L. F., & McKnight, P. E. (2015). Unpacking emotion differentiation: Transforming unpleasant experience by perceiving distinctions in negativity. Current Directions In Psychological Science, 24(1), 10-16. doi:10.1177/0963721414550708

Quoidbach, J., Gruber, J., Mikolajczak, M., Kogan, A., Kotsou, I., & Norton, M. I. (2014). Emodiversity and the emotional ecosystem. Journal Of Experimental Psychology: General, 143(6), 2057-2066. doi:10.1037/a0038025
vgl. auch die Infos rund um die Studie auf:  www.emodiversity.org/

Salovey, P. & Mayer, J. D. (1990). Emotional intelligence. Imagination, Cognition and Personality,
9, 185-211.

Schubert, Ch. (2016). Was uns krank macht – Was uns heilt: Aufbruch in eine Neue Medizin. Das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele besser verstehen. Bielefeld: Fischer & Gann

Schutte, N. S., Malouff, J. M., Thorsteinsson, E. B., Bhullar, N., & Rooke, S. E. (2007). A meta-analytic investigation of the relationship between emotional intelligence and health. Personality And Individual Differences, 42(6), 921-933. doi:10.1016/j.paid.2006.09.003

Kritik am Konzept der „Emodiversität“:

Brown, N. L., & Coyne, J. C. (2017). Emodiversity: Robust predictor of outcomes or statistical artifact?. Journal Of Experimental Psychology: General, 146(9), 1372-1377. doi:10.1037/xge0000330

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