Kann man Emotionale Intelligenz trainieren? Ja, aber…

Emotionale Intelligenz lässt sich (bedingt) trainieren.
Emotionale Intelligenz gilt als beruflicher Erfolgsfaktor. Zahlreiche Anbieter locken damit, den EQ in ihren Seminaren zu steigern. Aber lässt sich Emotionale Intelligenz überhaupt wirksam trainieren? Eine Metaanalyse kommt zu dem Schluss: Ja, aber nur bedingt.
„Schaffen Sie sich neue Handlungsoptionen – agieren Sie emotional intelligent!“ – „Lernen Sie in unserer Emotionale Intelligenz Weiterbildung, nicht nur mit Verstand, sondern auch mit Gefühl zu führen!“ – „In diesem Seminar steigern Sie Ihre emotionale Intelligenz und managen Ihre Gefühle auf clevere Weise.“
Mit derartigen Verheißungen locken Weiterbildungsinstitute (angehendes) Führungspersonal in ihre Seminare. Sie versprechen, die emotionale Kompetenz der Optimierungswilligen zu steigern – und damit deren Karrierechancen. Denn spätestens seit Daniel Goleman 1995 seinen Bestseller Emotionale Intelligenz veröffentlichte, hat sich auch in Unternehmen herumgesprochen, dass der einfühlsame Chef und die sensible Chefin es besser verstehen, ihre Mitarbeiter zu motivieren. (Das TIME Magazine nahm den Titel sogar in seine Liste der 25 einflussreichsten Business-Bücher auf.)
Dass sich Emotionale Intelligenz (EI) – neben dem kognitiven Vermögen und anderen Persönlichkeitsmerkmalen – tatsächlich positiv auf die berufliche Leistung auswirkt, konnten zahlreiche empirische Studien belegen. Aber ist sie eine Fähigkeit, die Erwachsene noch erlernen können? Und tragen EI-Schulungen wirksam dazu bei? Ein Forschungsteam aus Frankreich, Deutschland und Spanien beantwortete diese Fragen jüngst mit: Ja, aber. Ja – weil es prinzipiell möglich scheint, die emotionalen Kompetenzen durch Trainings zu verbessern. Aber – weil es auf das Trainingsprogramm ankommt. Und darauf, was mit „Emotionaler Intelligenz“ gemeint ist, denn Psychologinnen kennen unterschiedliche Modelle und Aspekte der Emotionalen Intelligenz (vgl. Infografik: Dimensionen der EI).

Infografik: die vier Dimensionen der Emotionalen Intelligenz in dem Modell von John D. Mayer und Peter Salovey
In einer Metaanalyse werteten die Forscher/innen vierundzwanzig Primärstudien aus, die in den Jahren 2006 bis 2016 durchgeführt wurden und den Trainingserfolg von insgesamt fast zweitausend Personen im Alter zwischen achtzehn und dreiundvierzig Jahren erfassten. Im Durchschnitt bestanden die Trainings aus sechs Einheiten, die jeweils etwa drei Stunden dauerten. In den meisten Fällen hatten sie sowohl einen theoretischen als auch einen praktischen Anteil.
Über alle Studien hinweg war eine moderate Verbesserung der emotionalen Kompetenzen messbar. Die Trainings, die auf dem Modell von Mayer und Salovey aufbauen (vgl. Infografik), schnitten dabei besser ab als solche, die darüber hinaus soziale Kompetenzen und andere personenbezogene Voraussetzungen wie die Motivation und das emotionale Selbstbewusstsein zu schulen versuchten. Offenbar sind letztere weniger gut trainierbar und der Trainingserfolg entsprechend gering.
Auch für die vier Dimensionen der Emotionalen Intelligenz, die Mayer und Salovey beschrieben haben, fanden sich Unterschiede: Die Trainings hatten keinen nennenswerten Einfluss auf die Wahrnehmung und die Regulation von Emotionen. Was sich verbesserte, war vor allem das Verständnis für Emotionen sowie die Fähigkeit, deren Beweggründe und Auswirkungen einzuordnen. Den Schulungen gelingt es demnach, explizites Faktenwissen zu vermitteln. Die Fertigkeit hingegen, dieses Wissen im Alltag auch anzuwenden, entwickelten die Teilnehmer/innen im Rahmen der Trainings kaum weiter.
Das Verständnis für emotionale Zusammenhänge sei aber eine wichtige Voraussetzung dafür, dass jemand seine Emotionen regulieren und steuern kann. Deshalb könnten längere Trainingsphasen den praktischen Umgang mit Emotionen dennoch begünstigen, mutmaßen die Autoren der Studie. „Die Steuerung und Aufrechterhaltung gewünschter emotionaler Zustände erfordert ein hohes Maß an emotionalem Verständnis“, schreiben sie. „Um das Wissen in die Praxis umzusetzen und einen spürbaren Nutzen zu erzielen, sind demnach wiederholte und längere Schulungen notwendig.“
Man sollte sich also gut überlegen, in welche Art Weiterbildung man investiert. Wer seine Emotionale Intelligenz ernsthaft entwickeln möchte, wird sich ausdauernd damit befassen müssen. Ein zweitägiges Seminar (für das oft dreistellige Summen verlangt werden) ist bestenfalls ein Appetithäppchen.
Die Metaanalyse:
Hodzic,S., Scharfen J., Ripoll, P., Holling, H., & Zenasni, F. (2017). How efficient are emotional intelligence trainings: A meta-analysis. Emotion Review, 1-11. doi:10.1177/1754073917708613
Weitere Quellen:
Goleman, D. (1995). Emotionale Intelligenz. München: Hanser.
Joseph, D. L., & Newman, D. A. (2010). Emotional intelligence: An integrative meta-analysis and cascading model. Journal Of Applied Psychology, 95(1), 54-78. doi:10.1037/a0017286
Mayer, J.D., & Salovey, P. (1997). What is emotional intelligence? In P. Salovey & D.J. Sluyter (Eds.), Emotional Development and Emotional Intelligence: Educational Implications. (pp. 3-31). New York: Basic Books.
Mayer, J. D., Caruso, D. R., & Salovey, P. (2016). The ability model of emotional intelligence: Principles and updates. Emotion Review, 8(4), 290-300. doi:10.1177/1754073916639667
O’Boyle, E. H., Humphrey, R. H., Pollack, J. M., Hawver, T. H., & Story, P. A. (2011). The relation between emotional intelligence and job performance: A meta‐analysis. Journal of Organizational Behavior, 32, 788-818.
Schutte, N. S., Malouff, J. M., & Thorsteinsson, E. B. (2013). Increasing emotional intelligence through training: Current status and future directions. The International Journal Of Emotional Education, 5(1), 56-72.
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