Die Psychologie der Emotionen

Paul Bloom: Against Empathy

bloom_against_empathyPaul Bloom, Professor in Yale und Experte auf dem Gebiet der moralischen Emotionen, hat den Empathie-Hype offenbar satt. Während viele Psychologen und Verhaltensforscher – als prominentes Beispiel sei hier der Primatenforscher Frans de Waal genannt – Empathie als die zentrale Bedingung für moralisches Verhalten handeln, zeigt Bloom in seinem neuen Buch die Grenzen und Schwächen der Emotion auf.

Blooms bewusst provozierende These: Empathie führt zu törichten Urteilen und motiviert Gleichgültigkeit und Grausamkeit. Ohne sie wären wir moralisch besser beraten. In seinem Buch erkärt er warum – und versucht die Argumente vorbehaltloser Empathie-Befürworter zu entkräften.

Was Bloom an Empathie stört? Sie ist wie ein Schweinwerferlicht, das die Aufmerksamkeit und die Hilfsbereitschaft dorthin lenkt, wo sie gebraucht wird. Genau das sei aber das Problem: Sie verenge den Fokus und verzerre unsere moralischen Urteile zugunsten derjenigen Menschen, die uns nahe stehen, die uns ähnlich sind, mit denen wir sowieso sympathisieren. Alle anderen aber, die ebenso hilfsbedürftig sind oder unser Mitgefühl noch nötiger haben, blieben außen vor. Empathie sei kurzsichtig, so Bloom. Auf der intellektuellen Ebene können Menschen die Not vieler Menschen nachvollziehen, aber emotional einfühlen können wir uns nur in wenige.

„I am not against morality, compassion, kindness, love, being a good neighbour, being a mensch, and doing the right thing. Actually, I’m writing this book because I’m for all those things. I want to make the world a better place. I’ve just come to believe that relying on empathy is the wrong way to do it.“

Welche Alternative bietet Bloom an? Die Motivation, anderen zu helfen, erfordert aus Blooms Sicht keine empathische Einfühlung. Fähigkeiten wie Selbstkontrolle, Vernunft und ein weiter gefasstes Mitgefühl sind seiner Meinung nach besser geeigent soziale Gerechtigkeit herzustellen und moralische Einsichten zu befeuern. Fair und unparteiisch können wir laut Bloom nur sein, wenn wir die reine Empathie hinter uns lassen und Regeln und Prinzipien oder Kosten-Nutzen-Erwägungen an ihre Stelle setzen.

Blooms Ansichten stimmen in weiten Teilen mit denen des Philosophen Peter Singer überein, dessen Konzept des Präferenzutilitarismus kontrovers diskutiert wird. Man muss die utilitaristische Ethik, die der Psychologe mit Against Empathy unterstützt, nicht befürworten. Der Einwand jedoch, dass Empathie allein als moralischer Maßstab nicht zweckmäßig ist, wird durch die psychologischen Erkenntnisse stichhaltig begründet.


Interview mit Paul Bloom in der ZEIT: www.zeit.de/2015/49/psychologie-empathie-terror-mitgefuehl-interview

Ted Talks von Paul Bloom: www.ted.com/speakers/paul_bloom

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