Das Ah! und Oh! der Emotionen – eine interaktive Karte akustischer Gefühlsäußerungen

Interaktive Karte der akustischen Gefühlsäußerungen
Nicht nur Mimik und Körperhaltung, sondern auch spontane Lautäußerungen lassen Rückschlüsse auf das emotionale Befinden zu. Wissenschaftler der Universität Berkeley haben nun eine interaktive Landkarte erstellt, auf der sich erkunden lässt, wie Emotionen klingen können. Wow!
Lauthals lachen, verlegen kichern, kläglich wimmern, lustvoll stöhnen, tief seufzen oder angstvoll schreien: Menschen haben ein beeindruckendes akustisches Repertoire, um ihre Gefühle auch ohne Worte auszudrücken. Über zweitausend solcher Lautäußerungen haben Wissenschaftler aus den USA jüngst analysiert – und auf einer interaktiven Karte öffentlich zugänglich gemacht.
Bei der Erstellung der Lautproben ließen sich die Wissenschaftler von professionellen Schauspielern und freiwilligen Laien unterstützen, die sich in bestimmte emotionale Situationen hineinversetzen sollten. „Du bist allein vor einem Spiegel und knöpfst dein Hemd zu. Als du aufschaust, siehst du eine blasse alte Frau hinter dir, die dich anstarrt“, lautete ein Angst-Szenario. „Sie sehen jemanden, der eine lebendige Ratte isst“, war eine der ekeligen Szenen, die sich die Lautproduzenten vorstellen mussten.
Die so entstandenen Audio-Schnipsel wurden insgesamt tausend Testpersonen vorgespielt, die bestimmen sollten, welche Emotionen sich dahinter verbergen. Einigen Hörern wurden dazu feste Emotionskategorien vorgegeben (Angst, Ekel, Bewunderung, Enttäuschung etc.). Andere durften vollkommen frei die jeweilige Emotion benennen, die sie heraushörten.
Eine statistische Auswertung ergab, dass die meisten Testpersonen vierundzwanzig Emotionen treffsicher unterscheiden können: Angst, Begeisterung, Begierde, Bewunderung, Ehrfurcht, Ekel, Ekstase, Enttäuschung, Erkenntnis, Erleichterung, Heiterkeit, Interesse, Mitgefühl, Schmerz, Traurigkeit, Triumph, Überraschung (positive und negative), Verachtung, Verlegenheit, Verwirrung, Verzweiflung, Wut und Zufriedenheit. „Die Lautäußerungen sind vielfältiger und nuancierter als bisher angenommen und transportieren zuverlässig 24 Gefühlsbereiche“, resümieren die Autoren.
Ein weiteres Ergebnis der Analyse: Die Übergänge zwischen den Gefühlsbereichen sind fließend, was die Visualisierung auf der interaktiven Karte sehr schön verdeutlicht: Sie zeigt nicht nur die 24 verschiedenen Emotionskategorien und die verschiedenen Lautvarianten darin, sondern auch die Abstufungen dazwischen. „Die sanften Abstufungen zwischen den Kategorien spiegeln größtenteils das wider, was man sich als emotionale Mischkategorien vorstellen kann“, erklären die Autoren. Das legen auch die freien Beschreibungen der Testpersonen nahe, die solche gemischten Gefühle zum Beispiel als „ängstliche Überraschung“ oder „interessierte Verwirrung“ bezeichneten.
Ob Mensch oder Maschine: Wer Emotionen effektiv entschlüsseln will, muss die ganze Bandbreite der Gefühlsäußerungen berücksichtigen. Es reicht nicht, meinen die vier Wissenschaftler, sich auf wenige prototypische Emotionen zu beschränken. Aber: Hören Sie selbst!
Die Studie hinter der Karte:
Cowen, A. S., Elfenbein, H. A., Laukka, P., & Keltner, D. (2018). Mapping 24 emotions conveyed by brief human vocalization. American Psychologist. doi:10.1037/amp0000399
Weitere Untersuchungen zu akustischen Gefühlsäußerungen:
Cordaro, D. T., Keltner, D., Tshering, S., Wangchuk, D., & Flynn, L. M. (2016). The voice conveys emotion in ten globalized cultures and one remote village in Bhutan. Emotion, 16(1), 117–128. doi:10.1037/emo0000100
Gendron, M., Roberson, D., van der Vyver, J. M., & Barrett, L. F. (2014). Cultural relativity in perceiving emotion from vocalizations. Psychological Science, 25, 911–920. doi:10.1177/0956797613517239
Kraus, M. W. (2017). Voice-only communication enhances empathic accuracy. American Psychologist, 72(7), 644–654. doi:10.1037/amp0000147
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