Die Psychologie der Emotionen

David DeSteno: Emotional Success

Emotion schlägt Willenskraft. Das ist die Hauptbotschaft in David DeStenos neuem Buch Emotional Success. Erfolg hat, wer beharrlich die eigenen Ziele verfolgt. Die nötige Ausdauer sei aber mithilfe bestimmter Emotionen leichter zu haben als mit purer Willensanstrengung. Man müsse sie nur zu nutzen wissen.

An einem gewöhnlichen Tag scheitert ein gewöhnliche Person in etwa zwanzig von hundert Fällen, an den eigenen Plänen festzuhalten, schreibt David DeSteno, Professor für Psychologie an der Northeastern University in Boston. Noch schlechter sei die Quote, wenn jemand stark beansprucht, müde oder gestresst ist.

Das Problem: Menschen neigen von Natur aus dazu, das Gegenwärtige über das Zukünftige, den kurzfristigen Genuss über den langfristigen Ertrag zu stellen. Es erfordert ein hohes Maß an Selbstkontrolle, eine Belohnung aufzuschieben, um auf längere Sicht (größere) Erfolge einzufahren. Die Durchschnittsperson kassiert lieber siebzehn Euro sofort, als hundert Euro nach einem Jahr. Das zeigen nicht nur DeStenos eigene Experimente.

Seit den berühmten Marshmallow-Tests, die der Persönlichkeitspsychologe Walter Mischel in den 60er und 70er Jahren durchführte, wissen wir, dass Kleinkinder, die ihre Gelüste besser kontrollieren können, im weiteren Lebenslauf erfolgreicher sind: Wer im Alter von vier auf ein Stück Mausespeck verzichtet, um eine Viertelstunde später zwei davon zu bekommen, überflügelt die weniger kontrollierten Altersgenossen auch noch Jahre danach in Schule und Beruf. Selbstkontrolle durch Willenstärke wird seither als das psychologische Rezept zum Erfolg gehandelt – die Tigermutter lässt grüßen!

Emotionen sind im Ansatz der Willenstärke-führt-zu-Erfolg-Verfechter nicht vorgesehen. Im Gegenteil, sie gelten ihnen als Störfaktor: Wer seinen Gefühlen folgt, handelt aus ihrer Sicht unvernünftig, impulsiv und gibt momentanen Stimmungen allzu schnell nach. Die Aussicht auf künftigen Erfolg schwinde. – Falsch, sagt DeSteno.

„We’re never told to use an emotion itself to achieve a challenging goal. This is unfortunate, even tragic, because emotions can be such powerful tools for maintaining self-control. On balance, they’re both easier to use and more robust than the cognitive tools we’re told to reach for.“

DeSteno meint, dass wir einen Riesenfehler machen, wenn wir Emotionen allein auf ihre impulsive Wirkung reduzieren, denn nur weil einige Emotionen uns in Versuchung führen, tun es noch lange nicht alle. Drei Emotionen helfen uns aus seiner Sicht besonders dabei, unsere Pläne tatsächlich zu Ende zu bringen: Dankbarkeit, Mitgefühl und Stolz.

In Emotional Succes widmet der Forscher diesen drei sozialen Emotionen jeweils ein eigenes Kapitel, in dem er ausführt, was und wie sie zum Durchhalten beitragen. Das Prinzip dahinter ist immer ähnlich: Die Gefühle verändern den Wert, den wir den Dingen beimessen. Zukünftiges bekommt durch sie eine höhere Bedeutung, Gegenwärtiges wird weniger wichtig. Wenn wir Dankbarkeit, Mitgefühl oder Stolz empfinden, werden wir ausdauernder, bewältigen Herausforderungen leichter und sind gegen Versuchungen gewappnet, die uns von unseren Zielen abhalten – ohne jede Willensanstrengung.

EXPERIMENT: DANKBARKEIT MACHT GEDULDIGER

In einem seiner Experimente konnte DeSteno zeigen, dass dankbare Menschen geduldiger sind, wenn es um finanzielle Gewinne geht.

Zuerst sollten sich die fünfundsiebzig Testpersonen an eine Situation in ihrem Leben erinnern und fünf Minuten lang darüber schreiben: ein Drittel der Probanden über ein Ereignis, bei dem sie Dankbarkeit empfanden, ein weiteres Drittel über ein fröhliches und das letzte Drittel über ein ganz alltägliches Ereignis. Danach wurden ihnen verschiedene Geldsummen angeboten, für die sie sich entscheiden mussten: eine geringe Geldsumme, die ihnen direkt im Anschluss ausgezahlt würde, oder ein höhere Summe, die sie zu einem späteren Zeitpunkt bekämen.

Das Ergebnis: Diejenigen, die sich Dankbarkeit ins Gedächtnis gerufen hatten, waren deutlich zukunftsorientierter. Man musste ihnen durchschnittlich 31 Dollar anbieten, damit sie auf 100 Euro in der Zukunft verzichteten. In den beiden Kontrollgruppen (die über etwas fröhliches oder neutrales berichtet hatten), knickten die Probanden bereits bei 17 Dollar ein. Dankbarkeit, so folgert DeSteno, führt nicht nur dazu, dass wir unsere Mitmenschen mehr unterstützen, sondern auch zu einer besseren Kooperation mit unserem zukünftigen Selbst.

 

Während die Willenskraft früher oder später schwächelt, seien die Emotionen dauerhaft wirksam, verheißt DeSteno. Man müsse sie nur entsprechend zu nutzen wissen: „Der Schlüssel zum Erfolg ist also, zu verstehen, dass Emotionen uns nicht einfach passieren, sondern dass wir sie einsetzen können, um unsere Ziele zu erreichen – wenn wir die Weisheit entwickeln, auf die richtigen Emotionen zu setzen, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern.“ Wie man es anstellt, Dankbarkeit, Mitgefühl und Stolz kultivieren? Auch dazu hat der Forscher einige Ideen: Meditation und Dankbarkeits-Tagebücher, um nur zwei davon zu nennen.

DeStenos Erkenntisse sind bemerkenswert und zumeist plausibel. Trotzdem beschlich mich beim Lesen hin und wieder das Gefühl, dass seine weitreichenden Schlüsse etwas zu vorschnell sind. Fraglich ist vor allem, ob die Emotionen wirklich nachhaltig zum Erfolg beitragen. Zukünftige Langzeitstudien werden es zeigen. Bis dahin gilt: Einfach selber ausprobieren! Es gibt bisher keinen Grund anzunehmen, dass Dankbarkeit, Mitgefühl und Stolz schädlich sind.

 

Talks at Google: David DeSteno erläutert die zentralen Erkenntnisse seiner Forschung.


Website des Autors:
www.davedesteno.com/

Lesestoff:

DeSteno, David (2018): Emotional Success: The Motivational Power of Gratitude, Compassion and Pride. New York: Houghton Mifflin Harcourt

Mischel, Walter (2015): Der Marshmallow-Effekt: Wie Willensstärke unsere Persönlichkeit prägt. München: Siedler Verlag

Psychologische Studien zur Dankbarkeit:

DeSteno, D., Li, Y., Dickens, L., & Lerner, J. S. (2014). Gratitude: A tool for reducing economic impatience. Psychological Science, 25(6), 1262-1267. doi:10.1177/0956797614529979

Dickens, L., & DeSteno, D. (2016). The grateful are patient: Heightened daily gratitude is associated with attenuated temporal discounting. Emotion, 16(4), 421-425. doi:10.1037/emo0000176

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Einfaches HTML ist erlaubt. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Abonniere diesen Kommentar-Feed über RSS

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

%d Bloggern gefällt das: